Am vierten Septemberwochenende wurde das 15. Bundesleistungshüten der Arbeitsgemeinschaft zur Zucht Altdeutscher Hütehunde in Sachsen-Anhalt ausgetragen. Es war coronabedingt der dritte Anlauf für den ausrichtenden Schäfermeister Mario Wehlitz. Und der war nicht nur wegen der gelungenen Veranstaltung außer sich vor Freude.
Von Sabrina Gorges, Freie Journalistin
Zwischen seinem Parcours-Durchgang am Samstagvormittag und der Siegerehrung am späten Sonntagnachmittag lagen für Schäfermeister Mario Wehlitz und seinem Hundegespann Karlo und Gitte fast 20 nervenaufreibende Stunden. Als Hüter an der eigenen Herde aus freien Stücken mit Los 1 in den Wettbewerb gegangen, hatte er am Samstag nur Vorhüter Martin Winz mit seinem jungen Gelbbacken-Duo Lisbeth und Eule den Vortritt zu lassen. Wehlitz und seine Hunde legten eine souveräne Präsentation ihres Könnens an den Tag und wurden von den zahlreichen Zaungästen bereits nach Ende des ersten Wettkampftages hinter vorgehaltener Hand als Favoriten gehandelt. Eine Rolle, die ihnen über den Sonntag erhalten blieb. „Der Mario macht das“, raunte es nach der Vorstellung aller elf Hüterinnen und Hüter unisono durch die Massen, während der 57-Jährige selbst mit der Vor-Ort-Organisation, Presseinterviews und Small Talk beschäftigt war und von den Vorschusslorbeeren nichts wissen wollte. Mario Wehlitz war nicht nur Teilnehmer am 15. Bundesleistungshüten der Arbeitsgemeinschaft zur Zucht Altdeutscher Hütehunde (AAH), sondern als Vorsitzender des Landesschafzuchtverbands Sachsen-Anhalt und der AAH-Landesgruppe Sachsen-Anhalt auch der Cheforganisator. Erst zwei Wochen zuvor hatte sich der Schäfermeister für das große Finale auf eigenen Flächen qualifiziert.
Gemeinsam mit einem engagierten Team aus vielen Freiwilligen hatte er das Gelände an den Elbwiesen im Dessau-Roßlauer Ortsteil Brambach in ein vorzügliches Veranstaltungsareal verwandelt, bei dem vor allem der perfekt ausgearbeitete und weitläufige Hüteparcours herausstach. Insgesamt etwa 2000 Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten das Geschehen am 23. und 24. September – darunter viele Schäferinnen und Schäfer aus ganz Deutschland. Unter den Gästen waren auch Sachsen-Anhalts Agrar-Staatssekretär Gert Zender, Bauernverbands-Präsident Olaf Feuerborn und Stefan Voell, Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände (VDL). Die Leitung des diesjährigen Bundesleistungshütens hatte Schäfer Holger Pilz aus der AAH-Landesgruppe Sachsen-Anhalt inne. Er ließ es sich nicht nehmen, alle Wettbewerbsdurchgänge mitzulaufen, um alles bestmöglich im Auge zu behalten. Die Punkte vergaben Reimund Nagel, Ralf Meisezahl und Holger Banzhaf, während Rüdiger Kassuhn und Susanne Zander das Geschehen für die unkundigen Gäste kommentierten und dabei immer wieder verständlich die Regeln und Feinheiten eines Leistungshütens sowie das Zusammenspiel von Mensch und Tier hervorhoben. „Ohne Hunde ist der Schäfer nichts“, betonte Kassuhn mehr als einmal. Die Hütehunde seien schließlich nicht nur treue Gefährten, sondern auch „lebendige Zäune“ im Hütealltag. Etwas, dass in einem Leistungshüten auch in die umfangreiche Bewertung einfließt. Die von Mario Wehlitz bereitgestellte Wettbewerbsherde bestand aus 350 Tieren der Rassen Ile de France und Schwarzköpfiges Fleischschaf. Sie bestach durch stoische Gelassenheit. „Die Schafe gehen gut“, war immer wieder an der Seitenlinie zu hören.
Und während die Besucherinnen und Besucher entlang des Hütegeländes die späte Septembersonne und das sprichwörtliche Treiben genossen, bewältigten elf bei ihren jeweiligen Landeshüten qualifizierte Berufsschäfer und eine Berufsschäferin die Herausforderungen des Parcours. Mit ihren Hundegespannen, bestehend aus arbeitsfreudigen Altdeutschen Gelbbacken und Schwarzen sowie Harzer Füchsen, meisterten sie unter anderem das enge und weite Gehüt, das Treiben über eine Brücke und das Verkehrshindernis. Sie alle ließ Wehlitz am Ende mit 105,5 von 118 möglichen Punkten hinter sich – am „gefährlichsten“ wurde ihm Schäfer Michael Schulze aus der AAH-Landesgruppe Sachsen, der 104 Punkte verbuchen konnte. Der als Titelverteidiger nach Brambach gereiste Schulze legte mit 49 von 55 möglichen Punkten auch die beste Hüteleistung an den Tag. Das Podium komplettierte Schäfer Frank-Peter Enseroth aus Rheinland-Pfalz mit einer Gesamtpunktzahl von 84,5. Bestes Hundegespann wurden die Gelbbacken Karlo von der Rabeninsel als Haupthund (41/45) und Gitte vom Schönebecker Busch (15/15), getrieben vom neuen AAH-Bundessieger Mario Wehlitz.
Was auffiel: Mit einem Durchschnittsalter von 46 Jahren präsentierte sich ein relativ junges Teilnehmerfeld den Zuschauerinnen und Zuschauern. Jüngste Teilnehmerin und einzige Frau war Marie-Kathleen Tigges (30), die dafür auch eine besondere Schäferschippe als Preis überreicht bekam. Die für Nordrhein-Westfalen angetretene Schäferin gelang mit dem jüngsten Hundegespann ein unerwarteter vierter Platz (82,5 Punkte). Ihre erst 14 Monate alte Beihund Pepsi vom Schlesiner Hof begeisterte Zuschauende und Richtertrio, die für den Auftritt der Gelbbacken-Hündin 11 von 15 Punkte vergaben.
Der besondere Wanderpokal des AAH-Bundesleistungshütens wird nun um eine 15. Plakette und dem Namen „Mario Wehlitz“ ergänzt. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Die Freude ist einfach riesig“, war dieser nach der Siegerehrung und unzähligen Gratulationen gerührt und glücklich. „Aber das hier alles war die Leistung eines großartigen Teams und vielen Mitwirkenden, denen ich alle von Herzen danken möchte. Besonders meiner Familie.“ Sein langer Atem hat sich ausgezahlt, denn bereits 2020 sollte das Bundesleistungshüten in Brambach stattfinden. Es folgten die coronabedingten Absagen für 2020 und 2021 und 2022 das VDL-Bundesleistungshüten mit Herbert Kind als Sieger.
Die Premiere des Bundesleistungshütens mit der AAH als Veranstalter fand übrigens im Jahr 2000 ebenfalls in Sachsen-Anhalt statt – damals in Walbeck. Zum ersten AAH-Bundessieger wurde Bernd Angelroth aus der Landesgruppe Thüringen gekürt, dem gleich im Folgejahr die Titelverteidigung gelang.
Die Ergebnisse im Detail finden Sie hier.