Heidi:
Mit dem Satz qualifizierst du dich ganz klar zum "Oberexperten" Meinen Glückwunsch!
Das wär schön, wenns so wär, aber ich bin ja leider auch kein Superpolitiker, nur weil ich immer gern zwei Mal hingugge, was einem die hohen Herren so alles verkaufen wollen. Außerdem denke ich (und erlebs hier auch gerade wieder), dass die Kollegen stets kritisch zurück äugeln.
Und das rumkritisieren bringt doch auch richtig was. Selten findet man verschiedene Anschauungen und Meinungen zu Hundethemen derart tiefgreifend durchdiskutiert, wie in unseren letzten Wortgefechten.
Lass uns doch mal bei Gelegenheit überlegen, ob wir in dem Stil zusammen etwas veröffentlichen - könnt mir vorstellen, dass das Hundehaltern tatsächlich etwas bringen kann.
Das Kapitel "Grenzen setzen" lassen wir dabei aber aus - da sind wir uns auf jeden Fall im Groben schon zu einig.
Aber unsere Tierheimbeobachtungen scheinen sich wieder weitläufig zu wiedersprechen. 2009 war ich fürs Münchner Tierheim als Trainer tätig. Für die Dauersitzer, weil macht Löcher in Menschen und dergleichen.
Gerade bei den abgegebenen Hunden (aus Überforderungsgründen) hat mich überrascht, dass fast alle Sitz! und Platz! auf Entfernung beherrschten (und das auch bereitwillig zeigten). Wenn man sie aber zum Beispiel ein Stück von der Zwingertüre wegschieben wollte um hinaus zu kommen, konnte es schnell passieren, dass einem eine Reihe blanker Zähne entgegen kam ohne viel Vorwarnung.
Kann mir aber gut vorstellen, dass das wieder eine typische Münchner Sache ist. Hier bekomm ich dauernd Kunden in die Beratung, die zum Beispiel seit zwei Jahren mit ihrem Hund in einer Hundeschule sind, dort gelernt haben über einen Balken zu gehen oder die Wippe zu überqueren. Mantrailing betreibt zur Zeit sowieso fast jeder und meistens können die Hunde dann noch ein paar kleinere Tricks á la Dogdance. Die üben täglich "Bleib" und "Komm", haben Clicker-Tricks drauf, dass man in`s Staunen kommt, beschäftigen drei Mal die Woche mindestens,... und trotzdem muss das Erstgespräch auf Feldwegen stattfinden, weil man als Fremder nur wenig Aussichten hat, unverletzt das Haus zu betreten.
Und während der Stunde Gespräch haben sie einen quangelnden Hund an der Leine (ableinen geht fast nie, wegen Jagdproblemen), der es einfach nicht aushält, dass "sich jetzt mal die Erwachsenen unterhalten" - ohne ihn.
Und fast immer denken die Halter erst einmal, dass sie für ihren Hund einfach immer noch zu wenig tun und er deshalb dieses oder jenes Fehlverhalten an den Tag legt.
Ich zeigen ihnen dann gerne meine Hunde. Beide sportlich und gut bemuskelt (viele meinen sogar ZU drahtig). Der Rüde kann bis heute kein Sitz!, Arbeit/Beschäftigung gibt`s nur sehr selten bei den Schafen. Seit 2 Jahren haben wir keinen Garten mehr und an ein bis zwei Tagen pro Woche geht`s maximal kurz zum pinkeln/kacken 5 Minuten raus und ansonsten wird hier auf dem Teppich gelegen. Wenn ich Stunden gebe, laufen die beiden irgendwo in der Nähe herum und blödeln ab und an mal miteinander (was in der Bude verboten ist), meistens wird aber nur herumgegangen, etwas geschnüffelt oder gern mal gebuddelt.
Keiner meiner Hunde jagt, zeigt Ausfälle im Sozialverhalten oder der Körperbeherrschung. Das lässt (zumindest die Kunden dann) doch stark daran zweifeln, dass gute Erziehung und vor allem Beziehung viel mit Beschäftigung und dergleichen zu tun hat.
Auf den Punkt: Beschäftigung ist schön und gut, Hunde sollten unbedingt Möglichkeiten zur Bewegung und Erkundung haben, aber wie heisst`s so schön... "Die Dosis macht das Gift."
Und wer keine Lust auf oder Begabung für Beschäftigungsinhalte hat, kann sicher auch darauf verzichten, solange sich Hund und Halter genügend im Freien und am besten unter Artgenossen bewegen und zwischen beiden ausreichend alltägliche Kommunikation besteht.